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Entgrenzung des Bildraums

Text: Katharina Arlt

Eine reduzierte Farbpalette beherrscht die Kompositionen des in Radebeul ansässigen Dresdner
Künstlers Stefan Voigt.

Lockere Gefüge aus kühlem Graublau, blassem Violett, grünschimmerndem Ocker und Schwarz bedecken die großformatigen weißen Papiergründe. Der Bildraum ist weit gefasst, viel weiter, als man zu sehen glaubt.

Denn „An den Rändern“ der Bilder, so der Titel der Ausstellung in der Radebeuler Stadtgalerie, endet die Komposition vielfach unvermittelt. Es ist das Ungezeigte, ein fehlendes Kreissegment, der Anschnitt einer Quaderfolge, einer Hebelfigur oder eines Rasters, das außerhalb der Bildgrenzen ein uns unsichtbares Eigenleben zu führen scheint.
Eben dieses Verbergen eines Teils der Komposition zieht den Betrachter in den Bann.

Während aus dem Weiß des unberührten Papiergrundes flachdruckende Rasterungen aus zarten Pastelltönen emporsteigen, die an Luftpolsterfolie erinnern, wird in der nächsten Ebene eine gestische, wenngleich sparsame, nie blattfüllende Malerei vermittelt, die in vehementen Pinselschwüngen aufscheint.

Gesättigte Farbtöne in Acryl, Tusche und ganz unorthodox in Öl auf Papier markieren den Mittelgrund der Kompositionen. Auch das Weiß des Papiergrundes findet Geltung in Farbgebung und Formensprache des Künstlers. Wenn Farbe dünnhäutig aufgetragen und mitunter wieder kratzend mit dem Pinselstiel entfernt wird, leuchten die Aussparungen des Büttenkartons als eigene Bildzeichen hervor.

Über die vertikalen und horizontalen flächigen Farbbahnen legt Stefan Voigt grafische Spuren in
schwarzen Kreiden und Tuschen. Diese bilden die letzte Folie der gesamten Komposition und schließen den Bildraum in der Diagonalen ab. Wiederkehrende Formen sind hier flüchtig skizzierte Kreise, die durch Liniengefüge minimale Verbindungen eingehen. Der Eindruck von Konstruktionsskizzen drängt sich auf.

Es bleibt bei Ahnungen und Andeutungen von Räderwerken und Gestängen, die ohne Verankerung im Bildraum schweben, ja diesen verlassen, wie imaginäre Maschinerien aus ihm herausdrängen und sich unserem Gesichtsfeld entziehen.

Voigts ästhetische Faszination für historische analoge Automaten und Mechanismen kulminiert in der mobilen Installation FATALIA, einer Mischung aus Objekttheater und Wunderkammer, die er seit 2007 gemeinsam mit seiner Frau Bärbel Voigt entwickelt und seither in ganz Europa erfolgreich präsentiert.

Erfinder- und Entdeckergeist entströmt auch der 2020 entstanden Folge von Malereien auf Buchdeckeln antiquarischer Bücher, die in der Radebeuler Schau gezeigt werden.

Ob Künstlermonographie, Ingenieurhandbuch oder Reisebeschreibung, Voigt entfernt jeweils
den gesamten Buchblock, so dass ihm die Innenseiten des vorderen und hinteren Buchdeckels sowie das Innere des Buchrückens als Träger seiner Malerei dienen. Spuren der Buch-Demontage, Risse, Schnitte, aber auch Reste des farbigen Vorsatzpapiers und Partien der Leineneinbände finden Eingang in die Kompositionen des Dresdners, die nunmehr einen haptischen Objektcharakter erhalten.

Die Radebeuler Stadtgalerie zeigt eine beeindruckende Werkauswahl der Jahre 2016 und 2020,
die sich ausschließlich der Malerei und Zeichnung auf Papier widmet.

Der in den 1980er Jahren an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste ausgebildete Künstler arbeitete bereits in unterschiedlichen Medien wie Siebdruck, Fotogramm und Installation. Als Gründer der Galerie Adlergasse, seit 1997 in leitender Position, zeichnet Stefan Voigt zudem als Kurator für das „Dresdner Forum für Kunst riesa efau“ verantwortlich.

Begleitet wird die Schau „An den Rändern“ von einem Katalog mit Gedichten der Dresdner Autorin Undine Materni

Download DNN-Artikel Katharina Arlt

SZ-Artikel zur Ausstellung von Lilli Vostry „Das stille Leben der Dinge

Virtueller Rundgang durch die Ausstellung:


Mitwirkende: André Wirsig (Film), Undine Materni (Lyrik), Tobias Herzz Hallbauer (Sound)